Wen betreffen die neuen Whistleblower Regeln?

Betroffen sind Unternehmen ab 50 Mitarbeiter:Innen

Unternehmen ab 50 Mitarbeiter:Innen

Sämtliche Unternehmen ab 50 Mitarbeiter:Innen sollen ein Hinweisgebersystem einführen. Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten und Dritte dürfen ab dem 17. Dezember 2021 “Alarm schlagen” und genießen diesbezüglich weitgehenden Schutz. So dürfen sie, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, (vermeintliche) Missstände an Behörden oder unter Umständen auch an die Öffentlichkeit melden. Hinweisgeber dürfen hierbei selbst entscheiden, an wen sie sich zuerst wenden.

Wo ist das geregelt?

Die EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (EU-Richtlinie 2019/1937 vom 23.10.2019, kurz: EU Whistleblower-Richtlinie) ist die entscheidende Regelung. In Deutschland ist ein nationales Umsetzungsgesetz geplant. Bis dieses gilt, entfaltet die EU Whistleblower-Richtlinie zum Teil unmittelbare Wirkung.
Freie Mitarbeiter zählen als volle Mitarbeiter, sie werden also “voll” mitgezählt.
Unternehmen aus den Bereichen der Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte müssen unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter:Innen Hinweisgebersysteme einführen.

Vereine und sonstige Organisationen

Entgegen der deutschen Sprachfassung der EU Whistleblower Richtlinie werden nicht nur juristische Personen des Privatrechts von der EU Whistleblower Richtlinie erfasst. Stattdessen gilt die Whistleblower Richtlinie nach gebotener unionsrechtseinheitlicher Auslegung für sämtliche „legal entities“. In Deutschland sind also namentlich (teil-)rechtsfähige Personengesellschaften wie die GmbH & Co. KG ebenso wie nicht eingetragene Vereine ab 50 Angestellte von der EU-Whistleblower Richtlinie umfasst.

Kommunen ab 10.000 Einwohner und Juristische Personen des öffentlichen Rechts

Kommunen ab 10.000 Einwohnern müssen ab dem 17. Dezember 2021 ein externes Hinweisgebersystem bereitstellen. Kommunen bis 10.000 Einwohner wird die Einrichtung eines eigenen Hinweisgebersystems von Experten empfohlen. In Deutschland sind die einzelnen Bundesländer für die Details der Umsetzung für Kommunen zuständig.
Die Verpflichtung ein Hinweisgebersystem einzurichten gilt für alle juristischen Personen des öffentlichen Sektors, einschließlich Stellen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer solchen juristischen Person stehen.

Historie der Gesetzgebung

Der europäische Gesetzgeber setzt mit der Whistleblower Richtlinie einen gemeinsamen Mindeststandard innerhalb der Europäischen Union für den Schutz von Hinweisgebern. Neben dem umfassenden Schutz von Hinweisgebern werden zusätzlich die Einrichtung von sog. internen und sog. externen anonymen Meldekanälen sowie Folgemaßnahmen verpflichtend geregelt. Der Grund: Hinweisgeber schrecken – so zumindest die Annahme des Gesetzgebers – aus Angst vor Repressalien häufig davor zurück, ihre Bedenken oder ihren Verdacht zu melden. Der Einsatz von Hinweisgebersystemen und der Schutz der Hinweisgeber vor Repressalien soll daher die Aufklärung von Rechtsverstößen oder Missständen fördern und in der Konsequenz präventiv vermeiden.
Die Whistleblower Richtlinie entfaltet in den Mitgliedsstaaten keine direkte Wirkung, so dass es an einer Umsetzung durch nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften bedarf. Dieser Umsetzung müssen die Mitgliedstaaten nach der Veröffentlichung der Richtlinie am 16.12.2019 bis zum 17.12.2021 nachkommen. Kleine Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeiter:Innen können von der Pflicht zur Einrichtung eines internen Meldekanals bis zum 17.12.2023 befreit werden.
In Deutschland besteht eine solche Pflicht bis dato nur für einzelne Branchen. So sind momentan nur Kreditinstitute und Versicherungen verpflichtet, eine Hinweisgeberstelle als Meldekanal zu betreiben. Jedoch gehört die Einrichtung eines Hinweisgebersystems bereits bei vielen (größeren) Unternehmen zu “best practice” und ist Bestandteil eines effektiven Compliance-Programms. Eine interne Meldung bietet den Unternehmen hierbei auch die Möglichkeit, zunächst interne Ermittlungen voranzutreiben und so eine Beteiligung Dritter zu vermeiden. Ein internes Hinweisgebersystem wird nicht zuletzt durch die EU Whistleblower Richtlinie in Zukunft ein fester Bestandteil jeder angemessenen Compliance Struktur.